Mittwoch, 17. August 2016

Joanne K Rowling/John Tiffany/Jack Thorne: Harry Potter and the cursed child

- und der Zauber geht weiter.


Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 343 Seiten
Verlag: Little, Brown Book Group
Erschienen am: 31.7.2016
ISBN-13: 978-0751565355

Vorne weg
Als bekennender Harry-Potter-Fan wollte ich natürlich nicht auf die deutsche Ausgabe warten und habe mich daher an das englische Skript herangewagt. Gemeinsam mit meinen beiden Kindern habe ich die Fortsetzung der Geschichte um jenen Zaubererjungen gelesen, der inzwischen erwachsen geworden ist. Und so stehen auch neue Themen im Vordergrund des Theaterstücks, denn aus den einstigen Zaubererschülern und -schülerinnen sind Väter und Mütter geworden, die erst in diese Rolle hineinwachsen müssen.

Inhalt
Das Theaterstück, das auf einer unveröffentlichten Erzählung von J.K.Rowling basiert, knüpft an den Epilog des 7.Bandes an.
Es beginnt auf dem Bahnsteig 9 3/4 mit dem ersten Schuljahr von Albus Severus Potter, der gleich die Bürde dreier Namen trägt: Benannt sowohl nach Albus Dumbledore als auch nach dem mutigen Severus Snape und zugleich Sohn des berühmten Harry Potter, der die Zaubererwelt vor der Lord Voldemort gerettet hat.
Im Zug freundet er sich ausgerechnet mit Scorpius Malfoy an, dem Sohn Draco Malfoys, des einstigen Widersachers seines Vaters. Die ersten drei Schuljahre werden nur in einzelnen Sequenzen dargestellt und zeigen, dass Albus dem Haus Slytherin zugeordnet wird, kein Quidditch spielen kann und ein Außenseiter ist, genau wie sein Freund Scorpius, den das Gerücht umgibt, er sei der Sohn Lord Voldemorts.
Im Ministerium taucht derweil ein Zeitumkehrer auf, obwohl angeblich alle beim Kampf in der Mysteriumsabteilung (5.Band) zerstört wurden. Trotz Bedenken bewahrt Hermine - inzwischen Zaubereiministerin - ihn in ihrem Büro auf, statt ihn zu zerstören.
Irgendwie erfährt Amos Diggory von dem Zeitumkehrer und bittet Harry ihn benutzen zu dürfen, um seinen Sohn Cedric zu retten, der auf dem Friedhof bei der Rückkehr Lord Voldemorts (4.Band) getötet wurde. Doch Harry leugnet die Existenz des Zeitumkehrers. Das Gespräch wird jedoch von Albus und der Nichte Amos Delphi belauscht. Nach einem Streitgespräch zwischen Albus und Harry, nachdem Harry seinem Sohn die Decke schenken möchte, in die er als Baby eingewickelt war und die das einzige ist, was er von seiner Mutter noch hat, fällt folgender Satz:

"Well, there are times I wish you weren´t my son." (S.44)
(Manchmal wünschte ich, du wärst nicht mein Sohn.)

Eine unverzeihliche Aussage, die eine ganze Kette von Ereignissen auslöst. Zunächst beschließt Albus Amos Diggory zu helfen, indem er gemeinsam mit Scorpius und Delphi den Zeitumkehrer aus dem Ministerium stiehlt, um dann die Vergangenheit zu ändern und Cedric zu retten.

Die Folgen der Zeitreisen sind alternative Realitäten, die zeigen, was sich ändern könnte, wenn man nur ein einzelnes Ereignis in der Vergangenheit beeinflusst. Doch auch in der Gegenwart trifft Harry falsche Entscheidungen, die die Situation noch verschlimmern. Hinzu kommt, dass seine Narbe wieder schmerzt und er von Alpträumen geplagt wird.
Denn das Böse lauert nicht nur in der alternativen Realität, sondern ist auch in der Gegenwart präsent.


Bewertung (ACHTUNG SPOILER)
Zunächst einmal ist das Wiedersehen mit so vielen Figuren, die einen über so einen langen Zeitraum begleitet haben, wunderbar. Da ich selbst die Bücher mehrfach gelesen habe, sie dann meinen beiden Kindern jeweils noch einmal alle vorgelesen habe, kenne ich sie wirklich in- und auswendig ;).

So ist es zunächst befremdlich Harry als Vater zu erleben, der gegenüber Albus viele Fehler macht. Gleichzeitig ist dieses Verhalten verständlich, ist er doch selbst in einer alles anderen als liebevollen Umgebung ohne Vater aufgewachsen. Viele Konflikte, die nach dem 7.Band noch offen blieben, werden aufgegriffen. So ist der Dialog zwischen Harry und Dumbledores Porträt sehr bewegend. Überraschend, aber nicht unerwartet, söhnen sich Draco und Harry aus. Das wird ja bereits im Epilog angedeutet, dass Draco dann sogar unter Hermines Führung agiert - das ist besonders.
Vor allem die beiden alternativen Realitäten offenbaren die Bedeutung einzelner Ereignisse und stellen nochmals Nevilles Leistung heraus und zeigen, was aus Hermine hätte werden können - ohne Ron als Ehepartner und in einer dunklen Welt.
Der Auftritt von Severus Snape in einer der möglichen Realitäten ist sicherlich ein Highlight, auch er bleibt sich treu und die Aussage, er sei stolz darauf, dass Harry seinen Sohn nach ihm benannt habe, ist dann schon fast zu viel des Guten.
Die alternativen Realitäten fand ich sehr plausibel und sie fügen sich nahtlos in das Harry-Potter-Universum.
Mit der plötzlich auftauchenden Tochter Voldemorts und Bellatrix Lestranges habe ich jedoch meine Probleme. Sie kommt aus dem Nichts, an ihr wird die erzwungene (?) Fortsetzung offenbar. Denn dann hätte Bellatrix bei der Begegnung mit Harry, Hermine und Ron in Malfoys Herrenhaus bereits hochschwanger sein müssen. Mit keiner winzigen Andeutung wird auf dieses Kind im 7. Band verwiesen. Im Gegenteil - Bellatrix kämpft von der Geburt völlig unbeeinträchtigt in der Schlacht um Hogwarts. Sie ist als Mutter auch nur schwer vorstellbar!
Die Begegnung Delphis mit ihrem vermeintlichen Vater Voldemort, in den sich Harry verwandelt hat, um sie zu täuschen, wirkt dagegen authentisch und wie immer sehr spannend. Noch einmal wird die Wichtigkeit der Freundschaft betont, denn nur gemeinsam gelingt es den Freunden das Böse zu besiegen.
Doch wenn man von diesen logischen "Fehlern" einmal absieht, ist es nur folgerichtig, dass das Böse immer noch von Voldemort, in dem Fall von seiner Tochter und deren Wunsch, die Realität zu ihren Gunsten zu verändern, herrührt. Auch sie möchte ihren Vater kennenlernen, umso mutiger, dass Harry dem Wunsch widersteht, seine Vergangenheit zu ändern und seine Eltern nicht rettet.

Die Bürde des berühmten Vaters, die Erkenntnis, dass die Kinder, nicht immer die eigenen Erwartungen erfüllen und letztlich die Einsicht, dass sie einem doch ähnlicher sind, als man glauben möchte, stehen im Vordergrund dieses Theaterstückes und weisen uns darauf hin, dass die Zaubererwelt erwachsen geworden ist.