Montag, 28. November 2016

James Matthew Barrie: Peter Pan

- ein klassisches Märchen, gelesen mit Mirella.

Buchdaten
Bibliophile ungekürzte Ausgabe mit Illustrationen von Robert Ingpen, 216 Seiten
Verlag: Knesebeck Verlag
Erschienen am: 30.September 2010
Uraufführung des Theaterstücks: 1904
Erstveröffentlichung des Romans: 1911
ISBN-13: 978-3868732733

"Nur die Heiteren und Unschuldigen und Herzlosen können fliegen." (S.209)

Das Lesen dieses Kinderbuch-Klassikers bedeutet für mich Vergleiche mit der Disney-Verfilmung zu ziehen, die ich als Kind gemeinsam mit meiner Familie gesehen habe und schließlich als Mutter zweier Kinder erneut genießen durfte.

Gleich vorne weg- ich mag die Disney-Verfilmung. Sie ist witzig, phantasievoll, zwar mit Klischees besetzt, aber immer liebevoll. Die Figuren sind herrlich überzeichnet und selbst dem Bösewicht Hook möchte man in der ein oder anderen Szene Mitleid entgegenbringen. Peter ist arrogant und eingebildet, gedankenlos und lebt für den Moment. Was er nicht haben kann, nimmt er sich - er ist wie ein verzogenes Kind und trotzdem liebenswert.
Mit diesen Vorstellungen habe ich zu lesen begonnen und - leider kann ich es nicht anders sagen - bin enttäuscht. Natürlich hat es das geschriebene Wort schwer, die Bilder zu verdrängen. Aber ich bin einfach nicht in die Geschichte hineingekommen.
Herr Darling als Pfennigfuchser, Frau Darling unnahbar - zumindest Nana, das Hundekindermädchen hat mich versöhnt.
Die Geschichte selbst ist bekannt - die Kinder Wendy, John und Michael fliegen gemeinsam mit dem ewigen Kind Peter Pan ins Nimmerland - dem Fantasiereich der Kinder und erleben dort viele Abenteuer.

Doch das Nimmerland des Romans ist ein ernstes Land mit echten Gefahren. Lösen sich im Film die Gefahren in lustige Szenen auf, sterben im Nimmerland in der alles entscheidenden Nacht der Nächte die Rothäute und auch die Piraten: "Diesmal gilt es: Hook oder ich" (S.179)

Dieser tödliche Ernst aus dem Mund eines gedankenlosen Kindes?
Natürlich kann man einwerfen, Märchen seien grausam, wenn man nur an die Strafen in den Grimmschen Märchen denkt. Es ist die Kaltblütigkeit der vermeintlich Guten, die erschreckt - wie die Kinder die Piraten töten und selbst der kleine Michael sich rühmt, einen getötet zu haben.
Vielleicht sind es die Filmbilder, die in meinem Kopf spuken, aber diese Grausamkeit hat mich abgeschreckt.
Auch die einseitige Darstellung der Aufgaben einer Mutter und Frau haben mich gestört - auch wenn das natürlich der Epoche der Jahrhundertwende und dem vorherrschenden Frauenbild dieser Zeit geschuldet ist.

All die genannten Punkte hat auch Mira angesprochen, obwohl sie den Film nicht kennt - auch sie hat sich schwer getan in die Geschichte zu finden und es ist ihr wie mir gegangen - wir waren nicht mit dem Herzen dabei! Keine der Figuren berührt beim Lesen so, dass man mit ihr fiebern möchte.

Vielleicht liegt das auch am allwissenden Erzähler, der mit seinen Kommentaren vorausschaut:

"Eines aber würde ich liebend gerne tun: Ich würde ihr gerne In der Art eines Schriftstellers erzählen, dass die Kinder am Donnerstag in einer Woche zurück sein werden." (S.193)

Und der die Figuren bewertet. So sagt er über Frau Darling:
"Ach, dieser Frau fehlt einfach der Kampfgeist. Ich wollte ungewöhnlich nett über sie schreiben, aber ich mag sie nicht, und darum schreibe ich nichts dergleichen." (S-193)

"Manche mögen Peter am liebsten, und manche mögen Wendy am liebsten. Aber ich mag diese Frau am liebsten." (S.195)

Das Wechselhafte, fast Schelmenhafte des Erzählers spiegelt ironisch Peters Verhalten wider, aber es distanziert vom Geschehen.

Ein wenig entschädigt haben mich die schönen Illustrationen, es ist wirklich eine wunderbare bibliophile Ausgabe.
So haben wenigstens die Bilder überzeugt, wenn es die Geschichte auch nicht vermochte.

Und hier geht es zu Mirellas Besprechung, die neben ihrer Wertung auch den Inhalt der Geschichte sehr ausführlich wiedergegeben hat.